Wiprecht von Treskow
Die Ketzereien einer gottesfürchtigen Seele

  Das, was mein Kollege Treskow da von einem postoperativen Trauma erzählt, bestätigt den von mir seit einem Jahrhundert vorgelebten Grundsatz: „Ein deutscher Diplomat ist zu allem fähig!“

  Ein Kölner Richter glaubt nach einem vermeintlichen Operationsfehler, daß seine Seele ins Purgatorium versetzt worden sei, wo jedem Neuzugang befohlen wird, dem Inhalt und der Entstehungsgeschichte des christlichen Credos nachzugehen. Sekundiert von einem ugandischen Heiligen und einem bigotten Yankee-Engel wird das ernsthaft recherchiert und spitzzüngig-satirisch, aber doch stets respektvoll als richterlicher ´Untersuchungsbericht` niedergeschrieben. Dieser zeigt immer wieder den schonungslosen Umgang kirchlicher Funktionsträger mit Wahrheit und Moral.

  Man muß als Laie ein wenig Geduld haben, um dem mäandernden Erzählfluß durch mehrere Jahrtausende Religionsgeschichte zu folgen, aber man wird dabei mit einer Unzahl von Entdeckungen belohnt. Die Beste davon gleich vorweg: als marodierende deutsche Söldner bei der Plünderung des Petersdoms 1527 die Goldfassung vom vorgeblich authentischen Bischofsthron des Heiligen Peters abrissen, kam darunter eine arabische Intarsie zum Vorschein: „Allah ist groß, und Mohammed ist sein Prophet!“ Auch wußte ich nicht, daß der Evangelist Matthäus die sinnwidrigste Volkszählung aller Zeiten erfand, oder daß frühe Christen dem Propheten Mohammed erzählt hatten, Jesu Mutter Maria sei für sie die dritte der christlichen drei Gottheiten. Oder daß mittlerweile fast zwei Promille aller Heiligen, beginnend mit St. Maria Magdalena und St. Helena, in ihrem Vorleben feile Dirnen gewesen waren. Und daß der Heilige Konstantin ein Schwerverbrecher gewesen ist, oder daß früher in einer Kölner Kapuzinerkirche ein Kruzifix stand, bei dem die Barthaare Jesu nachwuchsen und, periodisch geschoren, an das wundergläubige rheinische Volk verkauft wurden.

  Jedenfalls steht bei so viel giftiger Kirchenkritik zu erwarten: der lokale geistliche Oberhirte des katholischen Richters, der hochernste Kardinalerzbischof von Köln, he will not be amused –

Kaiserl. Vize-Konsul a.D. und MinDirigent z.Wv. Dr. Dr.h.c. Edmund Friedemann Dräcker

  ( zur Person von Dr.Dr.h.c.Edmund Friedemann Dräcker: s. Wikipedia )